Geschichte der SPD Breisach

Bei Kriegsausbruch (1914) war in Breisach ein sozialdemokratischer Verein mit 27 Mitgliedern gegründet von unserem alten treuen Kämpen Uhrmacher Faist, dem heutigen Ehrenvorsitzenden des Vereins." Quelle: Volkswacht Nr. 57 vom 8.03.1919, Freiburger Parteiorgan. 

 

 

Die Neubildung des Politischen Lebens

Aus dem Bericht des Oberamtsmanns Franz Müller für das Jahr 1876 wissen wir, dass es damals in Breisach einen katholischen und einen nationalliberalen Verein gab, die wir für die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg gleichsetzen dürfen, mit der Zentrumspartei und der nationalliberalen Partei [cf. Band II S. 709 f.]. Hinter der einen Gruppierung stand in der Oberrheinstadt der katholische Stadtpfarrer, hinter der anderen der Chef des Bezirksamts - mehr oder weniger jedenfalls. Beide Parteien hielten sich, was Stärke und Einfluss anbelangt, ziemlich die Waage. 
So kam es, dass Kaiserstuhl und Tuniberg für gewöhnlich einen Angehörigen der Zentrumspartei nach Karlsruhe in den Landtag entsandten - zuletzt war es Freiherr Alfredvon Huber von Gleichenstein aus Oberrotweil -, während in dem Reichstagswahlkreis, zu dem mit Breisach auch noch weite Teile des Markgräfler Landes gehörten, fast regelmäßig ein nationalliberaler gewählt wurde - eine lange Zeit war es der Weingutsbesitzer, Dr. Erich Blankenhorn, von Müllheim. 
Die Veränderungen der politischen Landschaft um die Jahreswende 1918/1919 waren jedoch so bedeutend, dass nicht nur die neu auftretenden Gruppierungen, sondern auch eine so stabile Partei wie die Zentrumspartei sich neue Organisation gaben. Den Anfang machte in Breisach wohl die Sozialdemokratische Partei. 

Die Sozialdemokratische Partei
So eindrucksvoll und geschlossen die Sozialdemokratische Partei vor dem Weltkrieg auch stets auftrat, in Breisach konnte sie keinen Ortsverein ins Leben rufen. In der Stadt gab es zu wenig Industrie, und damit mangelte es an Industriearbeitern, die anderenorts die Kader der Ortsvereine stellten. Es gab somit in Breisach einzelne Sozialdemokraten, jedoch keinen Ortsverein. 
Im Freiburger Parteiorgan "Volkswacht" konnte man zwar zu Anfang März 1919 lesen: "Bei Kriegsausbruch (1914) war in Breisach ein sozialdemokratischer Verein mit 27 Mitgliedern gegründet von unserem alten treuen Kämpen Uhrmacher Faist, dem heutigen Ehrenvorsitzenden des Vereins." [Vw Nr. 57 vom 8.3.1919] Aber auch wenn dieser Ortsverein statutengerecht gegründet worden ist, zu einer Aufnahme dieses Ortsvereins in die Landesorganisation der Partei konnte es nicht mehr kommen, denn der Krieg hemmte derartige Organisationsarbeiten des Landesvorstands. 
So mussten die Breisacher Sozialdemokraten nach dem Kriegsende völlig neu aufbauen. Auf Sonntag, den 14. Dezember 1918 hatte die Partei eine Versammlung in die Wirtschaft "Zum Engel" eingeladen. Als "einige" der zahlreichen Besucher der Partei beitraten und 16 Personen die Parteizeitung "Volkswacht" abbonierten, da urteilte der Veranstalter: "Auch in Breisach beginnt es zu tagen" [Vw vom 19.12.1918]. Es folgte noch eine weitere Versammlung am Nachmittag des Weihnachtstags im Restaurant "Zum silbernen Turm" [Vw. vom 2.12.1918] und am 1. Januar 1919 noch eine weitere im Saal der Brauerei Franz. Als Redner dieser dritten veranstaltung wurden neben einer Referentin und einem Referenten aus Freiburg die Gattin des Breisacher Metzgermeisters, Ida Frank, und Oskar Velten [Inserat im Vw Nr. 304 vom 31.12.1918] angekündigt. Beide waren sie Breisacher. 
Bis Ende Februar / Anfang März war ein Ortsverein Breisach gegründet. Am 9. März fand in der Brauerei Franz eine Monatsversammlung des Ortsvereins statt, zu der die Mitglieder ihre Mitgliedsbücher mitbringen sollten [Vw Nr. 57 vom 8.3.1919 "Vereinsanzeiger"]. 1. Vorsitzender des Vereins war Oskar Velten, 2. und Ehrenvorsitzender Felix Faist. Dem Vorstand gehörten auch drei Frauen als Beisitzerinnen an, die Zahl der Mitglieder gab Velten mit 155 an. Das gute Abschneiden der Sozialdemokraten bei den Wahlen zur verfassungsgebenden badische Nationalversammlung und zur Deutschen Nationalversammlung in Breisach hat diese gute Entwicklung der Organisation sicherlich begünstigt. 
Bei der Versammlung am 9. März hatte Velten schon die im Juli durchzuführenden Kommunalwahlen im Visier. Vorher versuchte sich der neue Ortsverein gelegentlich des Maifeiertags in einer vorteilhaften Selbstdarstellung. Das Parteiorgan schrieb darüber: "Die Maifeier nahm einen wirklich schönen Verlauf. Nur hätte die Beteiligung am Festzug ebenso zahlreich sein müssen wie abends bei Tanz und Theater. Leider gab es in der Partei und den Gewerkschaften wieder eine größere Zahl an Drückeberger, die sich anscheinend schämen, offen Farbe zu bekennen. Das aber und ein festes Zusammenstehen sind in Breisach unbedingt notwendig" [Vw Nr. 104 vom 4.5.1919]. Das Lob der abendlichen Feier war berechtigt. Es gab einen Prolog, zwei Festansprachen (eine von Velten gehalten), Darbietungen der Breisacher Musikkapelle und eine Theateraufführung. 
Die Kritik an den Parteimitgliedern, die dem Umzug fern geblieben waren, trübt etwas den Blick dafür, dass dieser Umzug für Breisach durchaus nichts Alltägliches war. Dem Zug voraus schritten Velten und Ida Frank, beide eine rote Fahne schwenkend. Alle Teilnehmer trugen im Knopfloch rote Schleifchen, während die Angehörigen der im Zug mitmrschierenden Stadtmusik größtenteils noch in fledgrauer Kleidung in Erscheinung traten [Mitteilung von Oberamtsrat Emil Schanno in Karlsruhe]. Es war imponierend, aber Velten genügte das nicht. Seine Kritik entspricht einer ihn kennzeichnenden Wesensart: Er war ein Einpeitscher großen Formats, wie ihn jede Partei benötigt. Wer war er überhaupt? 
Nun, seine Biographie ist lückenhaft. Er ist am 26. Januar in Kehl am Rhein als Sohn eines badischen Gendarmen geboren und katholisch getauft. Ob er in Kehl zu Schule gegangen ist oder anderswo, ist offen. Auf die Entlassung aus der Volksschule folgte wohl eine Lehre als Elektromechaniker, an die sich irgendwann einmal der Besuch einer Technischen Lehranstalt, eventuell des Karlsruher Staatstechnikums, anschloss. Dann hatten ihn wohl die Ablegung einer Prüfung im Fach Elektrizitätswesen berechtigt, die Bezeichnung "Elektroingenieur" zu führen. Zu dieser Zeit war er - falls er vom Militärdienst befreit gewesen sein sollte - doch mindestens 23 Jahre alt. Somit kann er seine Berufsausbildung nicht sehr lange vor Ausbruch des Weltkriegs beendet haben. Unbekannt ist auch sein Militärverhältnis. In Breisach ist er erstmals am 14. Januar 1919 nachzuweisen, als er bei der Stadt eine Konzession für die Ausführung elektrischer Licht- und Kraftanlagen beantragt und erhält.

Nachgeforscht von Josef Ott und Gustav Rosa 2013.